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KASTNER ÜBER KASTNER: Es scheint auf den ersten Blick schwierig, Erích Kastner zu katalogisieren. Welches Etikett soll man ihm aufkleben? Bei vielen anderen ist das vief leichter. Was soll man mit jemandem anfangen, der neben satirischen Gedichtbanden Kinderbücher geschrieben hat? Mit einem Schriftsteller, bei dessen „Fabian" sogar Mediziner noch rot werden, dessen humoristische Unterhaltungsromane hingegen in manchen Krankenhausern verordnet werden, wie Zinksalbe und Kamillenumschlage? Mit jemandem, der für Zeitungen kulturpolitische Leitartikel und für Kabaretts Chansons und Sketsche schreibt und dessen nachstes Projekt dem Theater gilt? Wie soll man dieses Durcheinander zu einem geschmackvollen StrauBe binden? Als ich ihn einmai fragte, warum er neben seinen bitterbösen Satiren Bücher für kleine Jungen und Madchen schreibe, gab er folgende Antwort: Die Attacken, sagt er, die er, mit seinem als Lanze eingelegten Bleistift, gegen die Tragheit der Herzen und gegen die... Tovább

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KASTNER ÜBER KASTNER: Es scheint auf den ersten Blick schwierig, Erích Kastner zu katalogisieren. Welches Etikett soll man ihm aufkleben? Bei vielen anderen ist das vief leichter. Was soll man mit jemandem anfangen, der neben satirischen Gedichtbanden Kinderbücher geschrieben hat? Mit einem Schriftsteller, bei dessen „Fabian" sogar Mediziner noch rot werden, dessen humoristische Unterhaltungsromane hingegen in manchen Krankenhausern verordnet werden, wie Zinksalbe und Kamillenumschlage? Mit jemandem, der für Zeitungen kulturpolitische Leitartikel und für Kabaretts Chansons und Sketsche schreibt und dessen nachstes Projekt dem Theater gilt? Wie soll man dieses Durcheinander zu einem geschmackvollen StrauBe binden? Als ich ihn einmai fragte, warum er neben seinen bitterbösen Satiren Bücher für kleine Jungen und Madchen schreibe, gab er folgende Antwort: Die Attacken, sagt er, die er, mit seinem als Lanze eingelegten Bleistift, gegen die Tragheit der Herzen und gegen die Unbelehrbarkeit der Köpfe ritte, strengten sein Gemüt derartig an, daB er hinterdrein, wenn die Rosinante wieder im Stall stünde und ihren Hafer fraBe, jedesmal von neuenri das unausrottbare Bedürfnis verspüre, Kindern Geschichten zu erzahlen. Das tate ihm über alle MaBen wohl. Denn Kinder, das glaube und wisse er, seien dem Guten noch nahe wie Stubennachbarn. Man müsse sie nur lehren, die Tür behutsam aufzuklinken ... Und als er immer wieder von gut und von böse, von dumm und vernünftig, von erziehbar und von unverbesserlich daherredete, ging mir ein Licht auf. Ich hatte ihm eine verkehrte Mütze aufgesetzt und mich gewundert, daB sie ihm nicht passen wollte! Hier lag der Grund begraben! Erich Kastner ist gar kein Schöngeist, sondern ein Schulmeister! Er ist ein Morálist. Er ist ein Rationalist. Er ist ein Urenkel der deutschen Aufklarung, spinnefeind der unechten Tiefe, die im Lande der Dichter und Denker nie aus der Mode kommt, untertan und zugetan den drei unverauBerlichen Forderungen: nach der Aufrichtigkeit des Empfindens, nach der Klarheit des Denkens und nach der Einfachheit in Wort und Satz. Er glaubt an den gesunden Menschenverstand wie an ein Wunder, und so ware alles gut und schön, wenn er an Wunder glaubte, doch eben das verbietet ihm der gesunde Menschenverstand. Vissza