Briefwechsel 1902-1917

Fülszöveg

Als der ungarische Privatgelehrte, der
Philosoph und Soziologe Dr. Georg von
Lukács im Winter 1917 von Heidelberg
nach Budapest zurückkehrte, wo er sich
bald der Kommunistischen Partei an-
schließen und in der Räterevolution Béla
Kuns eine herausragende Rolle spielen
sollte, hinterließ er seine gesamte Ver-
gangenheit in Form eines Koffers, den er
im Safe der Heidelberger Deutschen Bank
deponierte. Der Koffer, der über 1600
Briefe, ferner Notizhefte, Tagebücher und
umfangreiche ungedruckte Manuskripte
enthielt, gelangte von dort erst 1973,
anderthalb Jahre nach Lukács' Tod, durch
einen Zufall wieder an die Öffentlichkeit.
Eine repräsentative Auswahl aus diesen
persönlichen Dokumenten, insgesamt 250
Briefe von und an Georg Lukács, enthält
dieser Band. Der späteren Selbstdeutung
Lukács' („Gelebtes Denken. Eine Auto-
biographie im Dialog"), der zum be-
deutendsten marxistischen Kulturphilo-
sophen unseres Jahrhunderts werden sollte,
stellt dieser Band zum... Tovább

Fülszöveg

Als der ungarische Privatgelehrte, der
Philosoph und Soziologe Dr. Georg von
Lukács im Winter 1917 von Heidelberg
nach Budapest zurückkehrte, wo er sich
bald der Kommunistischen Partei an-
schließen und in der Räterevolution Béla
Kuns eine herausragende Rolle spielen
sollte, hinterließ er seine gesamte Ver-
gangenheit in Form eines Koffers, den er
im Safe der Heidelberger Deutschen Bank
deponierte. Der Koffer, der über 1600
Briefe, ferner Notizhefte, Tagebücher und
umfangreiche ungedruckte Manuskripte
enthielt, gelangte von dort erst 1973,
anderthalb Jahre nach Lukács' Tod, durch
einen Zufall wieder an die Öffentlichkeit.
Eine repräsentative Auswahl aus diesen
persönlichen Dokumenten, insgesamt 250
Briefe von und an Georg Lukács, enthält
dieser Band. Der späteren Selbstdeutung
Lukács' („Gelebtes Denken. Eine Auto-
biographie im Dialog"), der zum be-
deutendsten marxistischen Kulturphilo-
sophen unseres Jahrhunderts werden sollte,
stellt dieser Band zum ersten Mal ein
authentisches Bild seiner Entwicklung an
die Seite - keine Rechtfertigung vor der
Geschichte, sondern gewissermaßen an
den Rand des Daseins geschriebene Selbst-
zweifel, Reflexionen, intime Bekenntnisse,
tastende Versuche, den eigenen Weg zu
finden. Die Briefe bezeugen aufs Ein-
dringlichste die persönliche wie philoso-
phische Entwicklung, die Lukács' lebens-
entscheidender Wende vorausging: die
frühen Jahre in Ungarn mit der Suche
nach eigener Form und eigenem Aus-
druck; die teilweise langjährigen Aufent-
halte in Berlin, Florenz und Heidelberg;
seine Auseinandersetzung mit der zeit-
genössischen Kunst und Philosophie, ins-
besondere im Heidelberger Kreis um Max
Weber; die Freundschaft mit so dia-
metral einander entgegengesetzten Vor-
bildern wie Paul Ernst und Ernst Bloch;
schließlich die Beziehungen zu Irma
Seidler und Leo Popper, den beiden
Hauptgestalten seiner menschlichen, seiner
intellektuellen Biographie, deren früher
Tod ihm den Weg ins Werk wiesen. So
wird der Band zur ersten verläßlichen
Quelle über Lukács' Leben und Werk bis
zum Erscheinen seiner epochemachenden,
geschichtsphilosophisch fundierten „Theo-
rie des Romans". Das geistige und
menschliche Panorama, das sich in
diesen Briefen spiegelt, macht den Band
zur faszinierenden Lektüre auch für
jene, denen Georg Lukács bisher vielleicht
ferner stand. Vissza