Fülszöveg
Seit es Menschen gibt, fürchten sie den Hunger. Den Jäger, der mit Speer und Jagdbogen durch eine leere Wildnis zieht und kein Jagdwild trifft, beschleicht die Angst wie den Bauern, dessen Äcker vom Hagel verwüstet, von der Sonne versengt sind. Welche Anstrengungen die Menschen im Laufe der letzten Jahrtausende unternommen haben, um ihre Ernährung sicherzustellen, bildet den Inhalt dieses Bandes. Seine Gliederung bietet dem Leser die Möglichkeit, sich zunächst mit der Welt der frühen Sammler und Jäger zu befassen, ehe die einzelnen Formen des Nahrungsmittelerwerbs bis in die Gegenwart nachgezeichnet werden. Die historische Wissenschaft hat für die frühen Hochkulturen und für die Geschichte der europäischen Kultur mit ihren Ausstrahlungen über den Atlantik ein vielfältiges Material erarbeitet; für die Naturvölker hat diese Arbeit die Völkerkunde geleistet. Die Frage nach der Ernährungsgrundlage der jeweiligen Kultur spielt dabei eine eher beiläufige Rolle, weil Mythos und...
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Fülszöveg
Seit es Menschen gibt, fürchten sie den Hunger. Den Jäger, der mit Speer und Jagdbogen durch eine leere Wildnis zieht und kein Jagdwild trifft, beschleicht die Angst wie den Bauern, dessen Äcker vom Hagel verwüstet, von der Sonne versengt sind. Welche Anstrengungen die Menschen im Laufe der letzten Jahrtausende unternommen haben, um ihre Ernährung sicherzustellen, bildet den Inhalt dieses Bandes. Seine Gliederung bietet dem Leser die Möglichkeit, sich zunächst mit der Welt der frühen Sammler und Jäger zu befassen, ehe die einzelnen Formen des Nahrungsmittelerwerbs bis in die Gegenwart nachgezeichnet werden. Die historische Wissenschaft hat für die frühen Hochkulturen und für die Geschichte der europäischen Kultur mit ihren Ausstrahlungen über den Atlantik ein vielfältiges Material erarbeitet; für die Naturvölker hat diese Arbeit die Völkerkunde geleistet. Die Frage nach der Ernährungsgrundlage der jeweiligen Kultur spielt dabei eine eher beiläufige Rolle, weil Mythos und Religion, Kunst und Gesellschaft ein viel stärkeres Interesse beanspruchen. In diesem Band wird sie jedoch in den Mittelpunkt gerückt. Der unerhört listenreiche und spannungsvolle Kampf der frühen Jäger um die Beute schärfte ihre technische Intelligenz, und was die Menschen vor einigen zehntausend Jahren allein an Fernwaffen und Fallen, an Listen und Tricks, an magischen Praktiken und spirituellen Auffassungen in diesem Kampf hervorgebracht haben, bildet eines der fesselndsten Kapitel in der Kulturgeschichte der Menschheit. Der Übergang zum Ackerbau, eine Revolutionierung der Lebensweise von wahrhaft unvorstellbaren Ausmaßen, veränderte nicht nur die Ernährung der Menschen, nicht nur ihre Lebensumstände bis in alle Einzelheiten, sondern auch ihr Denken. Ihre Götter waren nun nicht mehr die geisterhaften Tierherren, die man mit Opfern beschwichtigen mußte, sondern Götter, die mit Regen und Blitz vom Himmel herab zu den Menschen sprachen und Fruchtbarkeit oder Dürre schickten.
Die Gesellschaft und ihre Lebensformen, die frühen künstlerischen Zeugnisse und die Art des Totenkultes sind bis ins Detail beeinflußt von der neuen Lebensweise des Menschen, der immer mehr Boden unter den Pflug nahm. Mit steigenden Erträgen wuchs auch die Bevölkerungszahl, und weil man seßhaft geworden war, entwickelte sich Besitz an Grund und Boden. Auch das Zeitgefühl änderte sich. Wenn der schweifende Jäger, dem Wild folgend, von einem Tag zum anderen gelebt hatte, lebte der frühe Ackerbauer von einer Ernte zur nächsten; es bildete sich ihm eine neue zeithche Dimension, die Zukunft, die es vorauszusehen galt.
Für den Jäger war entscheidend, daß es ihm gelang, das unberechenbare Verhalten der Tiere zur verstehen. Der Ackerbauer mußte die Regelmäßigkeiten der Natur in ihrer Kausalität begreifen, die ewige Wiederkehr des Gleichen, den Zusammenhang zwischen den Gestirnen, dem Wachstum und der Ernte: ohne Ackerbau gäbe es keine Sternenkunde, keine Kalender und Uhren. In einer Zeit, in der die Technik das Interesse des Menschen auf die Zukunft konzentriert, scheint die Beschäftigung mit geschichtlichen Fragen bedeutungslos. Diese Geschichtsverdrossenheit verliert sich, wenn man die Perspektive erweitert und größere Zeiträume zu überblicken versucht. Dann zeigt sich, daß sich einige wesentliche Probleme der Menschheit in den wenigen Jahrtausenden seit Beginn des Ackerbaues nicht grundlegend geändert haben: So beherrscht noch immer die Angst vor Krieg und Überfall, vor Übervölkerung und Hunger das Denken des Menschen, wenn auch in weltweiten Dimensionen. In diesen Jahrtausenden sind aus kleinen Bevölkerungsgruppen, über die Erde verstreut, mächtige Staaten geworden, und eine neue Revolution, die Entfaltung der modernen Technik, hat gerade eben erst begonnen. Es ist die Absicht dieses Buches, für eine Geschichtsbetrachtung aus dieser Perspektive einiges längst Bekannte in diesen Zusammenhängen neu darzustellen.
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