Ein brennendes Herz

Fülszöveg

»Unsere Kirche ist die Kirche der Heili-gen«, hat Bernanos einmal geschrieben. In der Tat kann es nicht der höchste Ehr-geiz eines Christen sein, Papst zu werden, wohl aber mufi es der höchste Ehrgeiz aller Christen sein, vom schlichtesten Glau-bigen bis zum Nachfolger Petri, heilig zu werden. In letzter Sicht steht der Heilige über dem Papst. Im Leben der heiligen Katharina von Siena tritt diese Sicht einmal inmitten der irdischen Geschichte leuchtend zutage: Das ungelehrte, nur von Gott unterwiesene junge Madchen wird zur weisunggebenden, schicksalwendenden Sibylle ihrer Zeit und Umwelt. Ihre Auto-ritát ist gottunmittelbar, wenn sie sich auch als solche nicht zuletzt dadurch er-weist, dafi sie die von Gott eingesetzten Autoritaten in Kirche und Welt achtet, obwohl oder besser: gerade dadurch, dafi sie sie zur Ordnung ruft. Dabei ist sie alles andere als eine strahlende Heldin. Immer wieder wird ihre Weisheit überspielt von der Klugheit dieser Welt, und ihre Siege wáren nicht... Tovább

Fülszöveg

»Unsere Kirche ist die Kirche der Heili-gen«, hat Bernanos einmal geschrieben. In der Tat kann es nicht der höchste Ehr-geiz eines Christen sein, Papst zu werden, wohl aber mufi es der höchste Ehrgeiz aller Christen sein, vom schlichtesten Glau-bigen bis zum Nachfolger Petri, heilig zu werden. In letzter Sicht steht der Heilige über dem Papst. Im Leben der heiligen Katharina von Siena tritt diese Sicht einmal inmitten der irdischen Geschichte leuchtend zutage: Das ungelehrte, nur von Gott unterwiesene junge Madchen wird zur weisunggebenden, schicksalwendenden Sibylle ihrer Zeit und Umwelt. Ihre Auto-ritát ist gottunmittelbar, wenn sie sich auch als solche nicht zuletzt dadurch er-weist, dafi sie die von Gott eingesetzten Autoritaten in Kirche und Welt achtet, obwohl oder besser: gerade dadurch, dafi sie sie zur Ordnung ruft. Dabei ist sie alles andere als eine strahlende Heldin. Immer wieder wird ihre Weisheit überspielt von der Klugheit dieser Welt, und ihre Siege wáren nicht Siege Christi, wenn sie nicht oft genug Niederlagen wáren. In unüber-bietbarer Innigkeit ist sie Christus ver-bunden, mit Ihm vertraut, Ihm alléin treu. Aus dem intimen Gesprách mit ihrem Herrn entspringt ihre Tatkraft, ihr Mut und ihre Führungsvollmacht. Die Zeitge-nossen müssen in ihr so etwas wie eine Realprásenz Christi gespürt und erfah-ren habén. Ihre Gestalt und ihr Wirken sind immer wieder geschildert worden; doch mufi sie wohl jeder Epoche neu vor Augen gestellt werden - so sehr fasziniert sie noch heute die Menschen. Henri-Charles Chéry hat dem oft zum Klischee verblalS-ten Bild frische Farben verliehen und die glutvolle Frau vom Goldglanz der Le-gende befreit. Wir sehen sie in ihrer Zeit und Umwelt wirken und leiden, erkennen auch das Zeitgebundene ihrer Spirituali-tát, erieben aber mehr noch die Herzens-freiheit und Unbedingtheit ihres Zeug-nisses. Seit dem Konzil fragt man immer háufiger nach der Frau in der Kirche -Katharina gibt die Antwort. Sie selbst ist diese Antwort: In dieser Frau wird die Kirche zugleich anschaulich, glaubwürdig und liebenswert.
P. Paulus Gordan OSB, Beuron Vissza