Moholy-Nagy

Fülszöveg

Vierundzwanzig Jahre sind es her. daß ich in Berlin zum ersten Male mit Moholy-Nagy zusammengetroffen bin. Damals war er siebenundzwanzig Jahre alt. Seine Lebenslust und seine Arbeitskraft übten eine große Wirkung auf mich aus. Ich bot ihm sofort eine Professur in dem damals seit vier Jahren bestehenden Bauhaus an. Seit dieser Zeit standen wir uns sehr nahe und nahmen gegenseitig an unserem Leben und unserer Arbeit Anteil. Man kann nicht an das Bauhaus und seine Ergebnisse denken, ohne sich an Moholy-Nagy und den leidenschaftlichen Geist dieses großen Initiators zu erinnern. Das Ziel seiner größten künstlerischen Anstrengungen war die Eroberung des Raums, er lenkte sein Genie in das Reich der Wissenschaft und der Kunst, um das Phänomen des Raums zu lösen. In der Malerei, der Bildhauerei und Architektur, im Theater und in der industriellen Formgestaltung, in der Fotografie und im Film, in der Reklame und der Typografie, immer war er bestrebt, das Verhältnis von Raum und Zeit, das... Tovább

Fülszöveg

Vierundzwanzig Jahre sind es her. daß ich in Berlin zum ersten Male mit Moholy-Nagy zusammengetroffen bin. Damals war er siebenundzwanzig Jahre alt. Seine Lebenslust und seine Arbeitskraft übten eine große Wirkung auf mich aus. Ich bot ihm sofort eine Professur in dem damals seit vier Jahren bestehenden Bauhaus an. Seit dieser Zeit standen wir uns sehr nahe und nahmen gegenseitig an unserem Leben und unserer Arbeit Anteil. Man kann nicht an das Bauhaus und seine Ergebnisse denken, ohne sich an Moholy-Nagy und den leidenschaftlichen Geist dieses großen Initiators zu erinnern. Das Ziel seiner größten künstlerischen Anstrengungen war die Eroberung des Raums, er lenkte sein Genie in das Reich der Wissenschaft und der Kunst, um das Phänomen des Raums zu lösen. In der Malerei, der Bildhauerei und Architektur, im Theater und in der industriellen Formgestaltung, in der Fotografie und im Film, in der Reklame und der Typografie, immer war er bestrebt, das Verhältnis von Raum und Zeit, das heißt die Bewegung im Raum zu deuten. Wir wissen, daß er in allem erfolgreich war, als Denker und Erfinder, als Schriftsteller und als Lehrer. Er war fast in zu viel Bereichen auf einmal tätig, aber diese verschwenderische Vielseitigkeit war besonders charakteristisch für ihn. Mit seiner Einbildungskraft wußte er die verblüffende Vielseitigkeit seiner Interessen im Gleichgewicht zu halten. Wie ein Prophet summierte er seine glänzenden momentanen Beobachtungen in ein zusammenhängendes Ganzes, fühlte er die Gefahr der übertriebenen Spezialisierung, die Verzerrungen verursachen kann. Sich ständig erneuernd, war er fähig, sich den Zustand der unvoreingenommenen Neugier zu erhalten, jederzeit bereit neue Methoden der Annäherung zu akzeptieren. Mit seinem scharfen Verstand untersuchte er alles, was ihm in den Weg kam, er glaubte nichts unbesehen und suchte immer das Ganze
Walter Gropius, 1946 Vissza