Raffael

Fülszöveg

In seiner „Vita di Raffaelio" reiht Giorgio Vasari Raffael unter jene ein, von denen sich „mit Sicherheit sagen láBt, daB sie nicht schlechthin Menschen, sondern sterbliche Götter seien", Sendlinge einer Natúr, die sich von ihnen besiegen lassen wolle. Dieser barocke Überschwang, so gern mancher ihn einem geliebten Genie zubilligen mag, entsprach dem Zeitgeist, war geláufige Formel. Wenn aber Künstler des 19. Jahrhunderts Raffael in áhnlicher Weise kanonisierten und Ingres ausrief: „Er war nicht nur der GröBte unter den Malern, er war schon, er war gut, er war alles", dann bringt dies immerhin zu BewuBtsein, daB man es hier mit einer Künstlerpersönlichkeit von einzigartiger Wirkung zu tun hat. Und bedenkt man noch, daB am Vorabend der Französischen Revolution Rousseaus Forderung nach Rückkehr zur „reinen Natúr" mit der Hinwendung breiterer Publikumsschichten zu Raffael Hand in Hand ging - Hermann Grimm spricht von der „Sehnsucht nach idealeren, gewaltigeren, einfacheren Zustánden,... Tovább

Fülszöveg

In seiner „Vita di Raffaelio" reiht Giorgio Vasari Raffael unter jene ein, von denen sich „mit Sicherheit sagen láBt, daB sie nicht schlechthin Menschen, sondern sterbliche Götter seien", Sendlinge einer Natúr, die sich von ihnen besiegen lassen wolle. Dieser barocke Überschwang, so gern mancher ihn einem geliebten Genie zubilligen mag, entsprach dem Zeitgeist, war geláufige Formel. Wenn aber Künstler des 19. Jahrhunderts Raffael in áhnlicher Weise kanonisierten und Ingres ausrief: „Er war nicht nur der GröBte unter den Malern, er war schon, er war gut, er war alles", dann bringt dies immerhin zu BewuBtsein, daB man es hier mit einer Künstlerpersönlichkeit von einzigartiger Wirkung zu tun hat. Und bedenkt man noch, daB am Vorabend der Französischen Revolution Rousseaus Forderung nach Rückkehr zur „reinen Natúr" mit der Hinwendung breiterer Publikumsschichten zu Raffael Hand in Hand ging - Hermann Grimm spricht von der „Sehnsucht nach idealeren, gewaltigeren, einfacheren Zustánden, durch die schon vor dreihundert Jahren (ín der Renaissance) Európa einmal umgestaltet worden war" -, dann gilt wohl auch für uns, was Grimm für die Epoche um 1789 so ausdrückt: „Man sah die Werke der groBen Meister, Raphaels und Michelangelos und der Antiken, mit fragendem Blick an und verlangte nach ihren Geheimnissen." - Der erste und einfachste Weg zu deren Enthüllung führt über die Konfrontation mit den Zeichnungen als dem Ursprung der nach ihnen ausgeführten Gemálde. Hier sind die Visionen noch auf monochrome Kontúrén und eine entsprechend sparsam versinnlichte Körperlichkeit reduziert, auf den Studienzustand der Personen in ihrer von Hippolyte Taine empfundenen „steinernen Figürlichkeit", aus welcher, auch schon in den Skizzen und Kartons, doch zugleich jenes numinose Element hervorstrahlt, um dessetwillen Novalis Raffael einen „Seelenmaler" genannt hat. - Von Blatt zu Blatt fortschreitend, erzáhlt Jiri Siblik, der bekannte Prager Kunsthistoriker, die innere und, in den Hauptstationen, die áuBere Biographie Raffaels so, daB Bild und Text eine gute Grundlage schaffen zum Verstándnis des Malers, seiner Zeit und der immer wieder erneuten Vissza