Vorhang auf

Fülszöveg

»Wir habén alle mai alt angefangen« - dieser Satz Max Reinhardts gilt auch für Fritz Erpenbeck (1897-1975). Als Zweiundzwanzigjáhriger spielte er am Stadttheater Ingolstadt beinahe den Heldenvater. Angefangen hatte die Liebe zum Theater schon sehr früh: als die Familie um den rundén Tisch unter der Petroleumhángelampe saft, der Vater, von Beruf Elektromonteur, Wilhelm Busch oder Fritz Reuter vorlas, spáter, schon bei elektrischem Licht, Shakespeare und Schiller. Der Lehrling, der »unter Absingen von Liedern« die Obstbáume des Fabrikanten abernten mufite, zeigte im Chor mit seinen Freunden schon komödiantisches Talent, als er die Arbeiter-Marseillaise sang und vom lachenden Strafóenpublikum Applaus erhielt. Ein »hinterlistiger« Komödiant ist er immer gewesen - ob er an der Front im ersten Weltkrieg den Eintopf mit Patronenpulver und Friedhofslorbeer würzte; ob er »Gutachterhonorare« für den Verkauf der Regimentspferde nach KriegsschluB kassierte und seine Kundén mit sozia-
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Fülszöveg

»Wir habén alle mai alt angefangen« - dieser Satz Max Reinhardts gilt auch für Fritz Erpenbeck (1897-1975). Als Zweiundzwanzigjáhriger spielte er am Stadttheater Ingolstadt beinahe den Heldenvater. Angefangen hatte die Liebe zum Theater schon sehr früh: als die Familie um den rundén Tisch unter der Petroleumhángelampe saft, der Vater, von Beruf Elektromonteur, Wilhelm Busch oder Fritz Reuter vorlas, spáter, schon bei elektrischem Licht, Shakespeare und Schiller. Der Lehrling, der »unter Absingen von Liedern« die Obstbáume des Fabrikanten abernten mufite, zeigte im Chor mit seinen Freunden schon komödiantisches Talent, als er die Arbeiter-Marseillaise sang und vom lachenden Strafóenpublikum Applaus erhielt. Ein »hinterlistiger« Komödiant ist er immer gewesen - ob er an der Front im ersten Weltkrieg den Eintopf mit Patronenpulver und Friedhofslorbeer würzte; ob er »Gutachterhonorare« für den Verkauf der Regimentspferde nach KriegsschluB kassierte und seine Kundén mit sozia-
lem Empfinden entweder wirklich beriet oder übers Ohr haute; ob er zusammen mit Erich Maria Remarque eine DadaKunstausstellung in Osnabrück durchstreifte und derart übertrieben und laut vor den rátselhaften Bildern fachsimpelte, dafi die erschrockenen Bürger in sich gingen, oder ob er im Privatanzug des Kapellmeisters die Operettenszenerie betrat und so Verwirrung im Orchestergraben stiftete. Was alles passieren kann, bevor der Vorhang aufgeht und nachdem er sich geschlossen hat, erzáhlt Fritz Erpenbeck in einem grófién Teil der Sammlung. Dafi es immer ums Ganzé ging - im Theater wie im Leben -, spiegelt Fritz Erpenbecks Biographie wider, die bruchstückhaft, aber sinnfállig dieses Buch nebenbei erzáhlt - das Leben eines sozialistischen Künstlers, der wáhrend der Weltwirtschaftskrise, im Prager und Moskauer Exil, beim Wiederaufbau seine eigene, oft zurückhaltende, aber immer wichtige Rolle spielte. Vissza